Gerlinde Merl: Ich nehme einen Faden und gehe mit ihm spazieren

 

Die Textilkünstlerin Gerlinde Merl, die schon lange über die Grenzen Österreichs hinaus bekannt ist, lädt im neuesten Band der Galeriebuch-Reihe des MaroVerlags zu einem unterhaltsamen Spaziergang durch ihre textile farbenfrohe Welt ein. Im eigenen Atelier färbt sie selbst Leinen, Damast oder Seide in den leuchtendsten Farbtönen und gestaltet aus diesen hochwertigen Stoffen nicht nur textilkünstlerische Arbeiten, sondern auch Tragbares.

 

Gerlinde Merl liebt das Experiment und ihre Arbeitsweise ist impulsiv, ohne strengen Plan. Dies lässt ihren Ideen Freiraum und bis zum Schluss bleibt das Ergebnis offen. So entstehen zum Beispiel sog. Textile Vernetzungen. Fragil und doch stabil zugleich treten hier kleine Stoffstücke miteinander in Verbindung und bilden neue überraschende Flächen. Oder die Neuinterpretation der Mola-Technik, bei der mehrschichtige Werke entstehen, die an Arbeiten von Friedensreich Hundertwasser erinnern.

 

Besonders liebt die Künstlerin auch Strukturen, die beispielsweise durch Knautschen oder durch die Anwendung anderer, den Shiboritechniken ähnelnden Methoden überfilzter Stoffe entstehen und von ihr „Textil-Jazz“ genannt werden, weil sie sich in ihrer Improvisationsvielfalt gleichen. Aber auch die Biskuits, die das Cover zieren, eine eigene Biesen-Technik, Chenille oder Smoken gehören hierher, womit sie sich schon in Richtung Dreidimensionalität und hin zu ihren „Tubes“ begibt. Das sind phantasievoll und farbenreich gestaltete Röhren – frei hängende Hingucker für den privaten wie öffentlichen Raum.

 

Besonders überzeugend wirken die feinen Farbübergänge und –zusammenstellungen, oft mit goldenen Details veredelt. Das können effektvolle Handstiche mit Goldgarn sein oder auch ein Hauch von Blattgold für das gewisse Etwas, wovon man sich zum Beispiel auch bei ihren Ausstellungen beim Carrefour Européen du Patchwork 2008 in Ste Marie-aux-Mines (F) oder bei der Textile Art Berlin 2011 überzeugen konnte.

 

Gerlinde Merl, die auch einen Großteil ihrer Garderobe selbst färbt, entwirft, herstellt und trägt, ist als Referentin in der Lehrerfortbildung an den Pädagogischen Hochschulen Österreichs und Bayerns tätig und gibt ihr Wissen in Kursen und Workshops weiter. Auch widmet sie die letzten 40 Seiten ihres Buches den von ihr bevorzugten Techniken und erklärt sie der Reihe nach in Wort und Bild auf anschauliche Weise.

 

144 Seiten voll gepackt mit Ideen und Farbenpracht, festgehalten in wunderschönen Fotos. Der Band ist als Geschenk für die Liebhaber textiler Kunst prädestiniert – auch für sich selber!

 

Gerlinde Merl: Ich nehme einen Faden und gehe mit ihm spazieren, MaroVerlag, Augsburg 2013, ISBN: 978-3-87512-761-4, 22 EUR

 

Leseprobe

 

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